Charles Baudelaire – Herbstgesang
Bald werden wir ins kalte Dunkel tauchen;
leb wohl, du helles Licht der allzu kurzen Sommer!
Schon hör ich, wie mit schlauerlichem Dröhnen
das Holz in allen Höfen auf das Pflaster poltert.
Der ganze Winter zieht nun wieder in mir ein: mit Zorn,
Haß, Beben, Schaudern und mit harter, mühevoller Arbeit;
und wie die Sonne in den Nordpols Hölle
wird auch mein Herz nur ein erstarrter Glutblock sein.
Ich lausche zitternd jedem Scheit, das fällt;
das Echo kann nicht dumpfer sein, wenn ein Schafott gezimmert wird.
Mein Geist gleicht einem Burgturm, den der Stoß
des schweren, nimmermüden Rammbocks stürzt.
Mir scheint, gewiegt von diesem steten Dröhnen,
daß irgendwo mit großer Hast man einen Sarg vernagelt…
Für wen?… Noch gestern Sommer – heute ist es Herbst!
Wie Abschied klingt mir der geheimnisvolle Ton.
Ich liebe deiner schmalen Augen grünes Schimmerlicht,
doch ist mir, holde Schönheit, heute alles bitter,
und nichts, nicht deine Liebe, der Kamin, das Zimmer,
wiegt mir den Strahl der Sonne übern Meere auf.
Und dennoch liebe mich, o zartes Herz! Sei Mutter
auch für den Undankbaren, für den Bösen;
Geliebte oder Schwester, sei die kurze Süße
nur eines klaren Herbstes, eines Sonnenuntergangs.
Welch kurze Pflicht! Die Grube wartet, sie ist gierig!
Ach, laß mich, meine Stirn auf deine Knie gestützt,
indem ich weine um den hellen, heißen Sommer,
den sanften, gelben Strahl des Spätjahrs kosten!